Eisi Gulp begeistert auf der Luisenburg mit seinem Präventionsprogramm „Hackedicht oder was?“ Studierende und Lehrkräfte der Fachakademie für Sozialpädagogik Weiden.

von Barbara Neuber

Eisi Gulp führt in dem Kabarettprogramm den Umgang mit Betäubungsmitteln aller Art und in allen Schichten tabulos vor und zeigt, was sie aus Menschen machen. Dabei legt er den Finger in die Wunde, ohne den Zeigefinger zu erheben. Mit durchgeknalltem Witz und einer sensationellen körperbetonten Performance bringt der Schauspieler alltägliches Verhalten auf den Punkt und zeigt, wie schnell Gebrauch zu Missbrauch wird. Das ist so amüsant wie entlarvend und erhellend zugleich.“ So lautete die Ankündigung auf der Homepage des Luisenburgtheaters zu Eisi Gulps Präventionsprogramm „Hackedicht oder was?“, das er im Juli in Wunsiedel präsentierte. Studierende und Lehrkräfte der Fachakademie für Sozialpädagogik in Weiden durften dies bei einer kulturellen Schul-Exkursion hautnah miterleben, auch wenn anfangs den meisten noch nicht klar war, was sie genau erwarten würde.

Schon der Beginn sorgte für Überraschung: Statt einer Einführung in das Thema durch den Kabarettisten wackelte, hampelte, tanzte Eisi Gulp auf die Bühne und hatte bei seiner gekonnt komischen Performance bereits die Lacher auf seiner Seite.

„Wieso kommt der da so reingehampelt?“, lautete im Anschluss seine selbstironische Frage. Eigentlich sei er ja Komiker und solle Leute „lachen machen“. Aber man hätte ihm gesagt, er solle sich Gedanken zu einem wichtigen Thema machen, erklärte er. Und das habe er getan. „Wieso trinkst du Alkohol?“, war dann die erste Frage an die Zuschauer, die ihn zum eigentlichen Thema hinführte. Seine eigene Antwort lautete: „Egal, ob ich trinke oder kiffe – es geht doch einfach immer nur um dieses Gefühl der Hemmungslosigkeit. Der Mensch tut nichts lieber als einem Glücksgefühl hinterherzulaufen.“

Deshalb stelle sich für ihn auch gleich die nächste Frage: „Was gibt es Dümmeres, als Zigaretten zu rauchen? Denn das turnt ja nicht einmal. Und wer würde sich schon freiwillig über einen Kamin hängen, an einem Auspuff inhalieren oder sich absichtlich vor ein Lagerfeuer setzen, genau in die Richtung, in die der Wind bläst? Und warum konnte das Rauchen in den Köpfen der Menschen überhaupt so eine Wertigkeit bekommen, wenn es eigentlich nur Gift ist?“ Eine Erklärung sieht Gulp in Tatsache, dass Zigaretten in der Nachkriegszeit als begehrtes Tauschmittel galten. Dass es soweit kommen konnte, dass Zigaretten Grundnahrungsmittel ersetzten und noch so lange danach so einen hohen Stellenwert bei den Menschen hatten, kommentierte er mit den drastischen Worten: „Die Tabakindustrie hat über Generationen den Menschen ins Gehirn geschissen.“ Mit dem Thema Impotenz legte der Kabarettist dann den Finger ganz deutlich in die größte Wunde der Männlichkeit: „Jungs, die ihr noch raucht. Wollt ihr euch wirklich diese einzige Aufgabe, die ihr auf Erden habt, versauen?“

Anschließend sprach Gulp über harte Drogen und deren Gefahren, nicht ohne vor der Pause vor allem Eltern und Pädagogen noch einmal dazu zu bringen, über sich selbst nachzudenken: „Wer soll den ersten Stein werfen? Der Vater nach der 18. Tasse Kaffee, der 40. Zigarette und der 4. Halbe Bier, der sagt: ᶦJunge, wir nehmen doch auch keine Drogen!ᶦ, oder die Mutter, die nach ein paar Tabletten Valium auf dem Sofa liegt?“

Nach der Pause ging Gulp zum nächsten Thema über: „Mein Geburtsort ist München. Und hier ist das unglaublichste, mit Abstand größte, irrwitzigste Besäufnis der Welt.“ Was für Gulp unerklärlich ist, sind in diesem Zusammenhang Aussagen, wie vor einigen Jahren, als in der Presse von einem „Drogen-Skandal“ im Käfer-Zelt geschrieben wurde, weil dort Kokain konsumiert worden war. Bei einem Interview dazu empörte sich der Juniorchef: „Drogen ausgerechnet bei uns! Das müssen wir bekämpfen.“ Und das, wie Eisi Gulp sarkastisch feststellte, wo die Münchener Szene-Diskothek P1, die lange Zeit zu Käfer gehörte, seinerzeit als Kokain-Umschlagplatz galt. Und noch absurder seinen für Gulp Schilder mit Aufschriften wie Drogen sind auf dem Oktoberfest nicht erwünscht! während  sturzbetrunken Menschen sich eine Maß Bier nach der anderen hineinkippen dürfen: „Das ist doch alles eine unglaubliche, riesige Heuchelei.“

Warum, ist für Gulp die große Frage, sind Alkohol, Nikotin und Medikamente „legale Drogen“ und andere sind verboten? Warum zählt Bier in Bayern praktisch als Grundnahrungsmittel? „Gibt es hier leidenschaftliche Kiffer?“, fragte Gulp ins Publikum und stellte sogleich fest: „Natürlich meldet sich keiner. Würde ich fragen ᶦGibt es hier leidenschaftliche Weißbiertrinker?ᶦ würden sofort die Hände in die Höhe fliegen und Na-frale-Rufe ertönen.

Dabei sei reiner Hanf im Gegensatz zu Alkohol und allen anderen Suchtmitteln erwiesenermaßen am wenigsten gesundheitsschädigend und noch dazu ein wertvoller Rohstoff. Aus Hanf könnte biologisch abbaubarer Kunststoffe erzeugt werden und richtig eingesetzt wäre er äußerst wertvoll in der Medizin – auch das ist im Grund nichts Neues. Aber in unserer Gesellschaft wurde der Handel mit Hanf zum organisierten Verbrechen getrieben. Das diese Verbotspolitik offensichtlich wenig sinnvoll ist, zeigt sich am Beispiel von Portugal. Dort sind Drogen seit 2001 entkriminalisiert, die Devise lautet „Bußgeld und Beratung statt Gefängnis“. Mit welchem Ergebnis? In Portugal ist der Konsum harter Drogen extrem gesunken, es ist das Land in Europa mit den wenigsten Drogenproblemen. „Man sieht, es wäre wesentlich sinnvoller, mehr Geld in die Drogenprävention und Aufklärung zu stecken, als in die Bekämpfung und strafrechtliche Verfolgung. “ Die Verbote, so Gulp, führen höchstens dazu, dass beim illegalen unkontrollierten Drogenhandel auch mehr gestreckte oder mit Blei versetzte und damit extrem gefährliche Substanzen verkauft werden – und dieses verseuchte Gras hat mit reinem Hanf eben nichts mehr zu tun.

Noch einmal kam Gulp auf den Alkohol zurück, der ganz legal bis zum wortwörtlichen Erbrechen konsumiert werden darf. „Dann kniest du wieder vor diesem kleinen weißen Porzellanaltar und steckst dein Gesicht in einen Ort, der nie dazu gedacht war“, führte er dem Publikum humorvoll, aber deutlich vor Augen. „Ein bisschen Party, ein kleiner Schwips – das ist ja ok. Aber muss man wirklich so dämlich weit darübergehen, dass man da landet?“ Einen passenden Ratschlag dazu hat er von seinem Kung-Fu-Lehrer gelernt: „Mach alles, was du willst, iss alles, was du willst, trinke alles, was du willst – aber immer nur die Hälfte.“

Am Ende gab es noch einmal sehr tiefgehende und ernste Momente. Gulp erzählte von seiner eigenen Erfahrung bei einem Krankenhausaufenthalt, bei dem er ein Zimmer mit einem Drogen-Junkie teilte . Als dieser Besuch von seiner Mutter bekam, machte sie ihrem Sohn über 45 Minuten lang die schlimmsten Vorwürfe. Der junge Mann nahm sich anschließend im Badezimmer das Leben. „Was willst du noch, wenn dich sogar deine eigene Mutter aufgibt?“ Und das war wohl auch eine der wichtigsten Botschaften, die der Schauspieler dem Publikum mit auf den Weg gab. Vorurteile in der Gesellschaft wie „kriminelles Gesockse“, Vorwürfe von Eltern und das Im-Stich-gelassen-werden machen alles nur noch schlimmer. „Sucht ist eine Krankheit. Und genauso wenig, wie ich einen HIV-Kranken im Stich lasse, lasse ich einen Suchtkranken im Stich.“ Dieses Erlebnis im Krankenhaus ist für Eisi Gulp auch ein Grund, warum er sein Präventionsprogramm mit solcher Leidenschaft immer wieder spielt. Er möchte aufklären, aufrütteln und zum Nachdenken bringen. Und der Grund, warum er zu Beginn seines Auftritts immer diese skurrile Anfangs-Performance gibt, ist einfache der, dass er die Aufmerksamkeit der (jungen) Leute damit auf jeden Fall schneller bei sich hat, als mit einer beginnenden Moralpredigt. Dass dies funktioniert, hat er auch auf der Luisenburg wieder bewiesen.