„Sprich, damit ich dich sehe!“ (Sokrates, 469 bis 399 v. Chr.): Unter diesem Motto stand der Stimmbildungsworkshop der Teilzeitklasse an der Caritas-Fachakademie für Sozialpädagogik in Weiden. Florian Seutter von Loetzen, der seine Ausbildung zum Sprecherzieher (univ./DGSS) sowie seinen Master in Speech Communication and Rhetorik an der Universität Regensburg absolviert hat, gestaltete den Abend für die Studierenden mit Informationen, Tipps und Übungen rund um die (Erzieherinnen-)Stimme.

Der Kontakt war durch die Lehrkraft für Literatur- und Medienpädagogik, Deutsch und Bewegungserziehung Dr. Barbara Neuber entstanden, die ebenfalls ihre Ausbildung zur Sprecherzieherin (univ.) an der Universität Regensburg absolviert hat und dort mehrere Jahre als Mitarbeiterin am Lehrgebiet tätig war.

Nach der Begrüßung bat von Loetzen die Studierenden erst einmal darum, ihr Lieblingsessen zu nennen. Was das mit ihrer Stimme zu tun hatte, sollten sie dann im Laufe des Abends erfahren.

Zunächst aber ging es um die Erzieherin als Berufssprecherin. Denn in kaum einem anderen Beruf ist die Stimme auf so vielfältige Weise gefordert:

Ob beim Begrüßen und Verabschieden von Kindern und Eltern oder beim Streit schlichten, Trösten und Spielregeln erklären; ob beim Vorlesen, Erzählen und Fragen stellen oder beim Kommentieren während des Bastelns, Malens, Spielens und Bauens; ob bei Tür- und Angelgesprächen oder auch längeren Eltern- und Entwicklungsgesprächen; ob beim Elternabend oder in der Teamsitzung – immer ist die Stimme der Fachkraft gefordert. Und nicht zu vergessen sind die stimmlichen schauspielerischen Fähigkeiten, die den Erzieherinnen und Erziehern abverlangt werden, wenn sie sich spontan an kindlichen Rollenspielen in der Gruppe beteiligen sowie eine Geschichte, ein Märchen oder ein Bilderbuch lebhaft erzählen oder vorlesen.

Hinzu kommt, dass die Anforderungen in allen Bereichen zusätzlich besonders hoch sind, da Erzieherinnen und Erzieher stets ein Kommunikationsmodell und Sprachvorbild für die Kinder sind. Nicht nur die Stimme, sondern allgemein die kommunikativen Fähigkeiten mit Eltern, Kindern und im Team sind ununterbrochen gefragt. Die hohe Arbeitsbelastung und die damit oft einhergehende psychische Belastung wirken sich ebenfalls auf die Belastung der Stimme aus – vom oft vorhandenen hohen Geräuschpegel im Berufsalltag ganz zu schweigen.

Die sogenannten Elementarprozessen des Sprechens (physische Voraussetzungen) beginnen damit bei der menschlichen Psyche. Deshalb ging es unter dem Motto „Stimm-e-ung – manchmal am Limit?“ als Erstes um den Zusammenhang von Stimme und psychischer Verfassung. Unsere Gefühle verändern nicht nur den Klang unserer Stimme – man denke nur daran, wie schnell man bei guten Freunden am Telefon sofort merkt, wenn etwas nicht „stimmt“. Belastungen und Stress wirken sich auch negativ auf unsere Atmung und Körperhaltung aus, was wiederum Stimmprobleme begünstigen kann. Wichtig ist es darum, sich als Erzieherin und Erzieher immer zu überlegen, was man sich im Arbeitsalltag generell Gutes tun und was einen persönlich in stressigen Situationen entlasten kann.

Nach einer Entspannungsübung zur progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson folgten Theorieeinheiten über die Bedeutung der richtigen Körperhaltung und Atmung als wichtigste Ausgangslage für eine gesunde und starke (Erzieherinnen-)Stimme. Beides konnten die Studierenden dann in praktischen Übungen selbst erfahren. Nicht nur die Wahrnehmung für den eigenen Körper und die Sinne wurde hier gefördert – auch der Spaß kam nicht zu kurz. Um die sogenannte reflektorische Bauchatmung zu üben, durften die Teilnehmerinnen wie Häschen an getrocknetem Lavendel schnuppern und wie Weihnachtsmänner mit dicken Bäuchen lachen.

Anschließend erklärte Seutter von Loetzen den Studierenden den Unterschied zwischen einer tragfähigen und einer lauten Stimme. „Die Tragfähigkeit ist wie ein Tennisball, den ich ganz gezielt einer Person zuwerfe. Wenn ich nicht zielgerichtet werfe, kommt der Ball nicht bei der Person an, sondern fällt irgendwo hinunter.“ Es geht also nicht um die Lautstärke, sondern um einen gerichteten und bewussten Einsatz der Stimme, der auch bei Lärm nicht belastend sein muss.

Grundlegend dafür ist auch die richtige Stimmlage. Diese liegt kurz oberhalb der sogenannten Indifferenzlage, die wir zum Beispiel erreichen, wenn wir Gähnen, weil sich dadurch unser Kehlkopf senkt und in einer entspannten Stellung ist. Und hier kam auch das Lieblingsessen der Teilnehmerinnen wieder ins Spiel: Wenn man sich vorstellt, wie man sich dieses gerade auf der Zunge zergehen lässt oder genüsslich kaut und dabei ein herzhaftes „Hmmm“ vor sich hinsummt, bewegt man sich stimmlich ebenfalls in der eigenen Indifferenzlage. Meist sprechen wir aber unter Stress oder bei dem Gefühl, „laut“ sprechen zu müssen, viel zu hoch und dadurch mit zu viel Spannung, was die Stimmorgane sehr stark belastet und auf Dauer zu ernsthaften Problemen führen kann. „Also gähnen Sie drauflos, wann immer es passt – auch mit den Kindern“, lautete ein augenzwinkernder Tipp des Stimmtrainers.

Der letzte, aber nicht weniger wichtige Aspekt, um die Tragfähigkeit der Stimme zu erhöhen und dabei Stimmkraft zu sparen, ist unsere Artikulation. Je genauer – desto besser. Auch hierfür gibt es gezielte Übungen, die sich leicht in den Alltag integrieren und genauso mit den Kindern durchführen lassen. Einige davon, z. B. mit der Zunge Zähne zählen, Lippenflattern und weitere Mund- und Zungengymnastik wurden wieder praktisch ausprobiert.

Nach Informationen über typische Stimmerkrankungen unter Pädagoginnen und Pädagogen und Fragen, die einem für das Erkennen von Warnzeichen helfen (siehe hierzu z. B. den Fragebogen der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie unter www.dppg.de), gab es noch Tipps für die allgemeine Stimmpflege. Grundsätzlich gilt: Möglichst nicht flüstern und nicht räuspern! In beiden Fällen werden die Stimmlippen übermäßig stark beansprucht. Statt zu flüstern, sollte man besser leise sprechen, aber auf jeden Fall die Stimme dabei mit einsetzen, da die Stimmlippen dann frei schwingen können. Und bei dem Bedürfnis, sich zu räuspern, lieber kurz husten, da dann die Reibung nicht so extrem ist.

Einer der wichtigsten Punkte für jede Pädagogin und jeden Pädagogen, um Stimme (und Nerven) zu schonen, ist es, sich Alternativen zu Lautstärkemachtkämpfen zu suchen. Hier tauchten die Teilnehmerinnen ihre Erfahrungen aus: Im Kindergartenalltag kann zum Beispiel leises Singen oder plötzliches Schweigen einer Fachkraft bei zu viel Lärm in der Gruppe oft Wunder bewirken. Und natürlich sollte man immer Kommunikationsregeln sowie akustische oder visuelle Signale mit der Gruppe vereinbaren.

Zum heiteren Abschluss des Workshops durfte natürlich eines nicht fehlen: Noch ein Runde Zungenbrecher für alle!

Text: Dr. Barbara Neuber, Lehrkraft für Deutsch, Bewegungserziehung, Literatur- und Medienpädagogik; Sprecherzieherin (univ.)

Seminarleitung: Florian Seutter von Loetzen M.A.: „Academia Trivium: Stimme – Rhetorik – Persönlichkeit“

Literaturtipp für Pädagoginnen und Pädagogen: Hinderer M. / Eberhardt, S.: Gut gestimmt! Stimmtraining für Erzieherinnen. Freiburg i. B. 2018.